Stillstehendes
Projekt von Stefan Fuhrer
März 2026
Ein kurzes Selbstgespräch
Der Begriff stil leven (niederl.: stil = unbewegt und leven = Dasein) für ein Gemälde ist zum ersten Mal um 1650 in einem holländischen Inventar zu finden. Ist es dieses unbewegte Dasein, das Sie in Ihren Fotos suchen?
Nicht ganz. Natürlich fasziniert mich dieses unbewegte Dasein, mehr noch interessieren mich jedoch die minimalen Ereignisse, die sich vor allem in der Veränderung des Lichtes manifestieren.
Ihre Bilder zeigen schwarze Äpfel, verwelkte Blüten. Sehen Sie dem Sterben zu?
Ja, durchaus, paradoxerweise ist aber durch das Festhalten des Augenblicks das Sterben zumindest auf dem Bild aufgehoben. Es bleibt also nur in unserer Vorstellung.
Also ein Spiel mit der Imagination des Betrachters?
Ja, aber auch mit der eigenen, ich habe ja in Erinnerung, wie der noch frische Apfel ausgesehen hat, und stelle mir vor, wie der Apfel in zwei Monaten aussehen könnte.
Das heißt, Sie überlegen sich, das von Ihnen gewählte Objekt auch zu einem späteren Zeitpunkt zu fotografieren?
Ja, ein Verschieben bedeutet aber auch, dass der für mich ideale Moment verpasst werden kann. Das heißt, ich versuche, mit meiner Vorstellung der idealen Situation, den Zufall zu zähmen.
Was natürlich nicht gelingen kann?
Natürlich nicht, es sind immer neue Versuche, den idealen Moment einzufangen.
Machen diese Versuche, den richtigen Augenblick festzuhalten, nicht auch die Faszination von Fotografie aus?
Absolut, diese Gratwanderung ist für mich fesselnd. Es sind ja oft minimale Abweichungen, die den Unterschied zwischen einem guten und schlechten Bild ausmachen.
Es ließen sich jedoch viele Unwägbarkeiten ausschließen, indem Sie, zum Beispiel, in einem Studio mit kontrollierten Lichtverhältnissen arbeiten würden.
Ja, das wäre eine Möglichkeit, ist aber nicht meine Art zu arbeiten. Ich arbeite fast ausschließlich mit Tageslicht. Abgesehen davon, dass ich diese Art Licht lieber mag, birgt das Arbeiten mit Tageslicht auch immer die von mir geschätzten Zufälligkeiten in sich.
John Baldessari schrieb 1968 in seinen Ratschlägen für junge Künstler: »Wofür auch immer du dich entscheidest, denk daran, es einfach zu halten und eine Vorstellung davon zu haben, worauf du hinauswillst.« Worauf wollen Sie hinaus?
Mich interessieren Zwischenräume, das Uneindeutige, die Nichtorte. Mit meiner fotografischen Arbeit versuche ich, solche Zwischenbereiche zu erschaffen. Man könnte sie auch als Möglichkeitsorte bezeichnen. Eigentlich ein Paradox, denn durch das Wählen des Bildausschnittes und das Bestimmen der Belichtungszeit schließe ich ja viele Möglichkeiten aus. Allerdings beginnt beim Betrachten von Fotografien oft ein Nachdenken über das Davor und Danach sowie über die Bereiche außerhalb des Bildausschnittes, und genau dieser Prozess führt schlussendlich zu diesen Möglichkeitsorten.
Was wollen Sie mit der Darstellung dieser Zwischenbereiche vermitteln? Oder anders gefragt: Was bedeuten Ihnen solche Orte?
Für mich sind es Freiräume, also Anfänge von Geschichten, die ich oder jeder Betrachter selber weiterdenken kann.




